Volkstrauertag – Ansprache

 

 

   Kalldorf, November 2024

Gedanken zum Volkstrauertag

 

Bedeutung:
Der Volkstrauertag ist ein Gedenktag für die Opfer der beiden Weltkriege und der Gewaltherrschaft des nationalsozialistischen Regimes sowie – mit zunehmendem Abstand vom Krieg – als Tag der Trauer in Solidarität mit den Verletzten und Hinterbliebenen. Der Tag soll auch eine Mahnung zur Versöhnung, zur Verständigung, zur Toleranz und zum Frieden sein.


Geschichte / Ursprung:
Der Volkstrauertag wurde durch den 1919 gegründeten Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VDK) zum Gedenken an die Kriegstoten des Ersten Weltkrieges angeregt. Die erste offizielle Feierstunde fand 1922 im Deutschen Reichstag in Berlin statt. Der damalige Reichstagspräsident Paul Löbe hielt eine im In- und Ausland vielbeachtete Rede, in der er einer feindseligen Umwelt den Gedanken an Versöhnung und Verständigung gegenüberstellte. Ein Komitee, dem von den großen Glaubensgemeinschaften bis zum jüdischen Frauenbund vielerlei Verbände angehörten, erreichte unter Federführung des Volksbundes, daß der Volkstrauertag in den meisten Ländern des Reiches gemeinsam, nämlich am fünften Sonntag vor Ostern, begangen wurde. Ab 1926 galt deis für alle Länder des Deutschen Reiches.
Seit 1924 veranstaltet der Volksbund jährlich die zentrale Gedenkfeier.

Schenken Sie diese Zeit den Toten der Vergangenheit und dem friedlichen Leben in der Zukunft.


Auch in Kalldorf findet seit Jahrzehnten alljährlich eine Gedenkveranstaltung auf den Kalldorfer Friedhof statt.
Nach einer Andacht in der Friedhofskapelle, hält ein Mitglied der Gemeinde eine Ansprache zur Erinnerung an alle Opfer von Krieg und Gewalt und zur Mahnung an die kommenden Generationen. Die Gedenkfeier schließt traditionell mit der Kranzniederlegung an den Ehrentafeln mit den Namen der gefallenen Kalldorfer Bürger.
Zum nachlesen finden sie hier die letzten 9 Vorträge:

 

 

Uwe Görtler

 

 

Ansprache zum Volkstrauertag 2023

Liebe Kalldorferinnen und Kalldorfer, liebe Gäste,

wir haben uns hier versammelt, um gemeinsam den Volkstrauertag zu begehen. Ein Tag des Erinnerns, des Gedenkens und des Innehaltens.
Ein Nachdenken über die Vergangenheit, die Schrecken des Krieges und den Wert des Friedens. Wir lesen auf den Tafeln die Namen derjenigen, die als Soldaten in den beiden Weltkriegen gefallen sind. Mit den Namen können die meisten von uns keine Person mehr verbinden.
Es waren junge Soldaten, die fern der Heimat und fern von ihren Familien kämpften und starben. Es waren Menschen, um die getrauert wurde und wird.
Als ich am Anfang meines Berufslebens stand, habe ich mehrere Kolleginnen und Kollegen kennen gelernt, die den zweiten Weltkrieg
selbst miterlebt hatten.
Ein Kollege berichtete, dass er noch 1945 als 16-Jähriger mit vielen anderen Gleichaltrigen und auch Jüngeren als Teil des letzten Aufgebots eingezogen wurde. Das war die Regel und nicht der Einzelfall.

Die Jungs waren ausschließlich in der Zeit des Nationalsozialismus aufgewachsen. Die Erziehung erfolgte damals nicht nur durch das
Elternhaus, sondern durch die Schule, den Dienst im Jungvolk und in der HJ mit der entsprechenden ideologischen Prägung. Die meisten waren besonders gläubig, fanatisiert und opferbereit.
Sie waren sich sicher, dass ihr Einsatz wichtig sei und zu einer Kriegswende für Deutschland -zum „Endsieg“- führen würde.
Die Jungen wurden in oft zu große Wehrmachtsuniformen gesteckt und hatten den Befehl, sich in der Dörenschlucht nahe Augustdorf zu
verschanzen, um Detmold gegen die vorrückenden Amerikaner zu verteidigen.
Die Sache ging für meinen Kollegen und seine Kameraden glimpflich aus, da geheim gehaltene Verhandlungen über die kampflose Übergabe der Stadt Detmold an die Amerikaner rechtzeitig zum Ziel und guten Ende führten.
Die Einsicht, dass die Vermeidung des Kampfes das Beste war, was passieren konnte und die Erkenntnis über den Irrsinn und die
Sinnlosigkeit des Krieges erschloss sich vor allem den Jüngeren erst später.
Jeder der den zweiten Weltkrieg überlebt hatte suchte den Weg zu einem neuen Anfang. Die Kriegsgeneration weiß, was Krieg bedeutet
und was Frieden wert ist.

Und heute?
Ein chinesisches Sprichwort sagt:
„Wer die Vergangenheit studiert, kennt die Zukunft.“
Das muss so nicht stimmen. Aber die Welt war nie friedlich und wird es niemals sein.

Die meisten von uns haben selbst keinen Krieg erlebt. Die Weltkriege
erscheinen weit weg und doch haben sie die Generationen vor uns geprägt und damit zum Teil auch uns.
Kriege und Konflikte werden über Medien zu uns gebracht. Wir sind die Empfänger und Konsumenten der Informationen. Tiefere Hintergründe und menschliche Schicksale bleiben uns meist verborgen.
Aufgabe und Pflicht der Medien ist es, uns korrekt und neutral zu informieren, so dass wir uns unsere eigene Meinung bilden können. Das ist leider nicht immer so.
Unsere Verantwortung ist es, unsere Informationsquellen sorgfältig zu wählen, damit wir auf das Vertrauen können, was wir lesen, hören und sehen, bevor wir uns unsere Meinung bilden.
Unsere Eltern haben uns den Unterschied zwischen Gut und Böse,
richtig und falsch beigebracht. Durch die schiere Menge an Bildern der Gewalt und der Komplexität der Informationen sind wir jedoch häufig überfordert und drohen abzustumpfen.
Was wir bei den aktuellen und den vergangenen Konflikten mit ihrer Gewalt und ihrem Leid wahrnehmen, ist nicht nur die Abwesenheit von Frieden, sondern auch von Verständnis füreinander und von Gerechtigkeit. Wir leben bei allen unseren alltäglichen Problemen und Sorgen im
Frieden.

Der Volkstrauertag ist für uns eine Mahnung zum Mitgefühl mit den Menschen, denen Unrecht und Gewalt widerfährt und eine Erinnerung daran, dass Frieden nicht selbstverständlich ist. Das einfachste Rezept für den Frieden ist es, keinen Krieg zu wollen.
Das Wichtigste im Miteinander ist nach wie vor die Menschlichkeit.
Damit möchte ich nun die Totenehrung sprechen: „Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.
Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren. Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.
Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.

Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.
Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind.
Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten, und teilen ihren Schmerz.
Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.“

Vielen Dank!

 

 


 

 

 .  Timo Engelhardt

 

Ansprache zum Volkstrauertag 2022

Liebe Kalldorferinnen, Liebe Kalldorfer, Liebe Gäste aus umliegenden Ortschaften, Albert Schweitzer, ein Friedensnobelpreisträger, hat einmal gesagt: „Soldatengräber sind die großen Prediger des Friedens.“
Der Volkstrauertag ist ein Blick zurück, ein Blick in die Vergangenheit – ein Blick auf Soldatengräber. Er ist den Opfern der Kriege und der Gewaltherrschaften gewidmet. Jedoch soll er auch in der Gegenwart zum Frieden mahnen.
Wir alle haben uns aus diesem Grund hier am Kriegerdenkmal eingefunden. Ich freue mich sehr, dass Sie alle heute dabei sind. Am Volkstrauertag gedenken wir der Toten, die Kriege und Gewaltherrschaft aller Völker und Nationen gefordert haben. Wir erinnern uns an die Soldaten, die kriegerischen Auseinandersetzungen zum Opfer gefallen sind, wir trauern um zivile Opfer und um die Opfer von Massakern und Völkermorden. Wir denken an die Toten, die ihr Leben lassen mussten, weil sie gegen die Herrschaft von Diktatoren aufbegehrt haben. Und wir denken an all die menschlichen Schicksale, die aufgrund von kriegerischen Auseinandersetzungen und Gewaltherrschaft zu beklagen sind. Wir gedenken der Verwundeten an Körper und Seele, der Misshandelten, der Vergewaltigten, der Missbrauchten. Wir denken an all diejenigen, deren Familien grausam auseinander gerissen wurden, die Angehörige verloren haben und deren Leben aufgrund ihrer traumatischen Erlebnisse nie mehr so sein wird wie es vorher war.
Und wir denken auch an die, die von verantwortungslosen Machthabern in aussichtslose Kämpfe geschickt wurden, in denen sie ihre Gesundheit, ihre Jugend, ihre Unschuld und ihr Leben verloren haben.
Denn es sind nicht die Zahlen, Daten und Fakten, die uns aufrütteln. Diese schaffen eine Distanz, hinter die wir uns unbeteiligt zurückziehen können. Es sind die menschlichen, die persönlichen Schicksale, die uns berühren und zum Nachdenken bringen.

Als ich über den Anfang des Jahres 2022 nachdachte, wo wir, die ganze Welt einen gemeinsamen Kampf gegen das Corona-Virus führten, holte mich die Gegenwart und somit die Gedanken an den aktuell brutal geführten Angriffskrieg in der Ukraine ein. Mit Blick auf die aktuelle Situation, die täglichen, dramatischen und weltbewegenden Ereignisse in der Ukraine, die vielen Toten, die der Krieg jeden Tag fordert, lassen nicht lange die Notwendigkeit und die Aktualität der traditionellen Kranzniederlegung am Volkstrauertag überlegen.

Bei meiner Vorbereitung fand ich ein bemerkenswertes Zitat des damaligen Reichstagspräsidenten, Paul Löbe. Er hielt die Rede bei der ersten offiziellen Volkstrauertags-Feier – und erklärte einmal: „Es müssen Gesetze geschaffen werden, durch welche die für einen Kriegsausbruch verantwortlichen Diplomaten und die Journalisten gezwungen würden, als erster in die Schützengräben zu gehen.“ Wie viel hat sich eigentlich bis heute geändert? Damals hieß der Volkstrauertag noch „Heldengedenktag“. Nicht geändert hat sich, dass die Verantwortlichen für Kriege nur selten zur Rechenschaft gezogen werden. Wären Gesetze, wie sie Paul Löbe damals forderte, nicht auch heute sinnvoll, um ein friedliches Miteinander zu erreichen?

Umso wichtiger ist es, das Gedenken aufrechtzuerhalten. Ein Gedenken der Opfer von Krieg und Gewalt. Wir wollen gleichzeitig mahnen, dass die Versuchung, Gewalt an Stelle von Verständnis und Vernunft treten zu lassen, nur in einem menschlichen Fiasko enden kann. Dieses Gedenken ist leider nicht mehr selbstverständlich, da es immer weniger Zeitzeugen der beiden Kriege des letzten Jahrhunderts gibt. Gleiches gilt für betroffene Familien und Angehörigen, denn bis zuletzt gab es eine lange Friedenszeit in Mitteleuropa wie noch nie zuvor. Wir müssen wieder Tag für Tag an dem Frieden arbeiten und alles dafür tun, dass Hass und Fremdenfeindlichkeit, dass Krieg und Terror bei uns keine Chance haben kann. Gerade heute, wo auch rechte Kräfte die dunklen Seiten der deutschen Geschichte nur allzu gerne relativieren wollen, ist es wichtig, sich zu erinnern! Nur wer sich erinnert, kann aus der Vergangenheit lernen, um eine bessere Zukunft zu gestalten. Deshalb verdient es jede Geschichte, erzählt zu werden, und jedes Opfer verdient es, dass man sich seiner erinnert. Lasst uns neben unseren Gefallenen auch der Toten und Verletzten der letzten Terroranschläge und dem Krieg in der Ukraine gedenken und auch die Opfer der Corona-Krise in unser Gedenken mit einschließen, wenn wir gleich den Kranz der Kalldorfer Vereinsgemeinschaft vor dem Ehrenmahl ablegen.

Frieden schätzt man meist erst richtig, wenn er nicht mehr da ist. Lasst es uns nicht dazu kommen. Damit möchte ich nun die Totenehrung sprechen: „Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.
Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren. Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.
Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.
Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.
Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind.
Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten, und teilen ihren Schmerz.
Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.“

Ich möchte mich mit einer einfachen und klaren Botschaft verabschieden: Lasst uns gemeinsam dafür einsetzen aus der Vergangenheit zu lernen und die Zukunft demokratisch, weltoffen, tolerant und gegen Krieg, Fremden- und Rassenfeindlichkeit zu gestalten!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit und ich bitte nun die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr den Kranz der

 

 


 

 

 

Hans Bentler

Ansprache zum Volkstrauertag 2021

Seit den Zeiten des griechischen Dichters Homer heißen die Menschen „die Sterblichen“.
Allein die Kriege im Europa des vergangenen Jahrhunderts, die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA, die täglichen Nachrichten von Terroranschlägen und Kriegen, von Gewalt und Unglücksfällen, erinnern uns unablässig daran, dass wir dieses zeitlose Schicksal unverändert mit unseren Vorfahren teilen:
Wir sind sterblich.
Wir sind
an jedem Ort,
zu jeder Zeit,
selbst mitten im Leben
vom Tod begleitet.

Heute ist Volkstrauertag. Seit 1922 ist das für unser Land der Tag, an dem wir der Opfer von Krieg und Gewalt gedenken, an dem wir die Trauer mit den Angehörigen der Betroffenen teilen, an dem uns aber auch inständig bewusst wird, was die Erinnerung an Sterblichkeit bedeutet.
Nach der Bibel hat alles seine Zeit: Es gibt Zeitabschnitte der Freude,
und es gibt ebenso Zeiten des Leids – Zeiten, die kommen und gehen.
Der Volkstrauertag summiert das Leid.
Es ist das Leid aller, die in Kriegen, bei Terror und unter Gewalt
Leben und Gesundheit, Familie und Freunde, Hab und Gut verloren haben. Er symbolisiert aber auch ganz besonders die Trauer um die Toten zweier Weltkriege, an denen unser Volk beteiligt war.

Und auch heute, mehr als 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, sind noch immer nicht alle Wunden verheilt, sie sind sogar immer wieder neue aufgerissen worden. Der Volkstrauertag erinnert uns an die 55 Millionen Menschen, die allein im Zweiten Weltkrieg ihr Leben gelassen haben: Männer, Frauen und Kinder, Soldaten, Zivilisten, Militaristen und Pazifisten, Schuldige und Unschuldige,Freunde und Feinde.
Doch wir trauern nicht nur über die vielen Verluste an Menschen.
Der Volkstrauertag ist auch ein Tag der Trauer über das, was
Menschen ihren Mitmenschen antun können und wohin Vorurteile
und Verblendung, wohin Gewalt und Gleichgültigkeit führen können.
Und es ist ein Tag der Mahnung. Ein Tag des „Nichtvergessens“ –
nämlich nicht zu vergessen, welch gefährdetes Gut die Menschenwürde ist.
Leider hat sich in der Geschichte immer wieder gezeigt, dass die Menschlichkeit im Umgang miteinander verloren gehen kann.
Dass der Mensch sehr schnell des Menschen Wolf werden kann.
Der Volkstrauertag ist gerade deshalb auch der Tag, der zur
Achtung vor den Menschen aufruft, vor dem Leben eines jeden einzelnen Menschen, gleich welcher Herkunft oder welchen Glaubens er ist.
Ganz unabhängig davon, wie er aussieht oder welche Überzeugungen er hat. Damit ist dieser Volkstrauertag nicht nur ein Tag für die Toten,sondern auch für die Lebenden.
Und deshalb hat er nicht nur etwas mit der Vergangenheit zu tun, sondern auch mit der Gegenwart. Das Nachdenken an diesem Volkstrauertag über Krieg und Terror, über seine Opfer und seine Ursachen ruft und fordert uns alle auf, uns für Frieden und Freiheit einzusetzen.
Aus diesem Sicherinnern, diesem Nachdenken und dem Gedenken erwächst auch die Verpflichtung zum Handeln.

Destruktive Menschheitserfahrungen im Gedächtnis zu behalten und zu verarbeiten ist aber auch ein wichtiger Teil und unverzichtbarer Inhalt der wertorientierten Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen.
Deshalb muss Friedenserziehung bereits im Elternhaus beginnen und in der Schule fortgesetzt werden – nicht nur bei uns, sondern überall, weltweit.
Gleichzeitig muss diese wertorientierte Erziehung gerade den heranwachsenden Generationen aber auch vermitteln können, dass aus jedem Konflikt, der friedlich gelöst wird, eine konstruktive Erfahrung entstehen kann, eine Erfahrung, die einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft das Rückgrat zu stärken vermag, die eine Demokratie von innen stabil halten kann.
Demokratie muss aber auch wehrhaft sein, wenn sie angegriffen wird.
Wenn die Grundlagen einer freiheitlich-demokratischen Ordnung durch äußere Gewalt bedroht sind, wenn der konfliktlösende Dialog verweigert wird, dann müssen selbst Demokratien bereit sein, die Voraussetzungen für Gerechtigkeit und Frieden gegebenenfalls auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen, zu verteidigen.
Das darf aber in jedem Fall aber immer nur der letzte Weg sein.
Schon deshalb müssen wir – wollen wir einen haltbaren Frieden haben – den Dialog suchen: den Dialog der Menschen und Nationen, den Dialog der Kulturen und Religionen, den freiheitlichen Dialog in einer globalen Gesellschaft.

Es ist diese Gemeinsamkeit, die uns die Hoffnung vermittelt, dass ein Leben der Menschen in Frieden mit und füreinander auf der ganzen Welt möglich ist. Für diese Hoffnung zu leben setzt harte Arbeit voraus, für die alle Menschen versuchen sollten täglich neue Kraft zu finden und aufzubringen. Das ist der Sinn und zugleich Auftrag des Volkstrauertages.

Und in diesem Sinne spreche ich nun die Totenehrung

Wir gedenken heute der Opfer von Krieg und Gewalt:
Der Soldaten, die in beiden Weltkriegen gefallen, ihren Verwundungen erlegen in Gefangenschaft gestorben oder seither vermisst sind, der Männer, Frauen und Kinder aller Völker, die durch Kriegshandlungen ihr Leben lassen mussten.
Wir gedenken derer, die im Widerstand, die um ihrer Überzeugung oder ihres Glaubens willen Opfer der Gewaltherrschaft wurden, und derer die verfolgt und getötet wurden, weil Sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden oder derer Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.
Wir gedenken der Männer, Frauen und Kinder, die in der Folge des Krieges auf der Flucht oder bei der Vertreibung aus der Heimat und im Zuge der Teilung Deutschlands und Europas ihr Leben verloren.
 Wir gedenken der Bundeswehrsoldaten, die in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben ließen.
Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Opfer sinnloser Gewalt, die bei uns Schutz suchten.

Ich darf nun die Ehrenabordnung der freiwilligen Feuerwehr Kalldorf bitten, eine Kranz im Namen aller Vereine niederzulegen, die der Vereinsgemeinschaft angehören.

Bevor wir nun, wie in jedem Jahr zum Abschluss das Lied singen: Ich hatte einen Kameraden, erlauben sie mir Bitte noch meine Gedanken zum heutigen Volkstrauertag mit einer Weisheit der Mohawk-Indianer zu beschließen. Diese waren nämlich der Überzeugung, dass

:  Friede ist nicht das Gegenteil von Krieg bedeutet.
:  Das Friede nicht der Zeitraum zwischen zwei Kriegen ist.
:  Friede ist mehr.
:  Friede ist das Gesetz menschlichen Lebens.
:  Friede ist dann, wenn wir recht handeln und
:  wenn zwischen jedem einzelnen Menschen und jedem Volk Gerechtigkeit herrscht.

Ich darf mich vorab bei Ihnen ganz herzlich für Ihre Teilnahme am Gottesdienst und der Gedenkfeier bedanken und wünsche Ihnen Allen einen sicheren Heimweg, einen schönen Sonntag und vor allen Dingen: Bleiben sie gesund.
-Vielen Dank-

 

 

 


                                                                                                                        

                                                                   

 

Dorthe Hense  

 

                         Ansprache zum Volkstrauertag 2020

Liebe Gottesdienstbesucher und Volkstrauertagsgäste!

Wir befinden uns im Jahr 2020, das heißt auch: Wir befinden uns 75 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges und 102 Jahre nach dem Ende des 1. Weltkrieges!

Die beiden Weltkriege liegen nun also bereits vier bis fünf Generationen zurück, die Erinnerungen verblassen, Zeitzeugen sind weitgehend ausgestorben. Meinen Schülerinnen und Schülern stelle ich an diesem Punkt, wenn es um die Wahl des Faches Geschichte in der Oberstufe geht, folgende Fragen:

⦁ Warum soll ich mich mit Geschichte, mit meiner oder mit der anderer Menschen, beschäftigen?

⦁ Warum soll ich mich überhaupt mit der Vergangenheit beschäftigen, es sind längst vergangene Zeiten – ich lebe doch heute im hier und jetzt?!

Darüber kommen wir dann in die Diskussion und am Ende wird deutlich:
Ich beschäftige mich mit Geschichte, weil…

1. ich die historischen Wurzeln der Gegenwart wahrnehmen will,

2. um zu hinterfragen, wie meine Lebenswelt und die anderer entstanden ist,

3. um mich in der Gegenwart orientieren zu können

4. und um aus der Geschichte für die Zukunft zu lernen.

Entsprechend könnte man auch heute im Jahr 2020 fragen:

Warum gibt es den Volkstrauertag?

Und warum begehen wir in Kalldorf und den anderen Dörfern unserer Gemeinde den Volkstrauertag noch heute?
Dazu lässt sich zunächst einmal sagen, dass der Volkstrauertag auf Vorschlag des 1919 gegründeten Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge als Gedenktag für die Kriegstoten des Ersten Weltkrieges eingeführt wurde.

„Dieser Tag sollte ein Zeichen der Solidarität derjenigen, die keinen Verlust zu beklagen hatten, mit den Hinterbliebenen der Gefallenen sein.“

Auch 40 Männer aus Kalldorf sind im 1. Weltkrieg gefallen. Das ist den Gedenktafeln zu entnehmen. Beim Lesen stößt man auf gleiche Nachnamen und es fällt sofort auf, dass einige Familien gleich mehrere Verluste hinnehmen mussten. Andere Familien, wie zum Beispiel auch die meines Urgroßvaters, blieben dagegen verschont. Auch in unserem dörflichen Rahmen war also offensichtlich Solidarität derjenigen, die keinen Verlust hinnehmen mussten mit den Hinterbliebenen der Gefallenen angebracht!

Schon der 1. Weltkrieg, der 2. Weltkrieg erneut und noch umfassender, hat die Familien in unserem Dorf in tiefes Leid gestürzt. Ehemänner, Väter und Söhne, die eigentlich noch mitten im Leben standen, fielen im Krieg und kehrten nicht nach Hause zurück. Das greift tief in die dörfliche Struktur und Entwicklung hinein und verändert vieles nachhaltig.

Brief von Henriette Marie Wilhelmine Schlinkmeier, geb. Heuer, Calldorf #16:

Seite 4 und 1

Seite 2 und 3

Im Folgenden möchte ich anhand dieses Briefes, geschrieben zu Weihnachten 1915, an das Schicksal der Familie Schlinkmeier, Kalldorf # 16, heute Winterbergstraße 13 gegenüber der Gaststätte Alter Krug, erinnern und damit auch zwei Namen der Gedenktafeln ein Gesicht geben.

Ich habe diesen Brief als Schülerin vor mehr als 30 Jahren bei Dannhäuser an der Bushaltestelle gefunden. Der Brief ist, wie Sie sehen, in Alter Deutscher Schrift mit einer sehr schönen und sorgfältigen Handschrift verfasst.

Frau Schlinkmeier schreibt folgendes:

Calldorf, Weihnachten 1915

Mein lieber Heinrich!
Da ich heute morgen allein zu Hause bin, wollen wir beide uns ein wenig im Geiste unterhalten. Wir erhielten gestern Deine Briefe vom 17. und 22.12. und die Weihnachtskarten, für Alles unseren herzlichsten Dank. Wie wir sehen bist Du ja wieder eine Stufe höher gestiegen, herzl. Gratulation, zu den Sergeantenknöpfen, aber die Hauptsache ist doch wohl, daß bald Friede würde, solange der Heldentod immer noch damit zusammenhängt, kann keine aufrichtige Freude hochkommen, die größte Freude für uns heißt Friede, Heimkehr!

Ohne es aus eigener Erfahrung bestätigen zu können -denn wir blicken, Gott sei Dank, mittlerweile auf 75 Jahre Frieden in unserem Land zurück- liegt schon in diesen wenigen Zeilen so vieles, was Menschen damals wie heute im Krieg bewegt:

die Abwesenheit eines geliebten Menschen,

die Dankbarkeit für jedes einzelne Lebenszeichen,

die Sinnlosigkeit des sogenannten Heldentodes, der die Angst um den möglichen Verlust des geliebten Menschen unglaublich verstärkt,

und die Hoffnung auf Friede und Wiedersehen!
Diese Zeilen verfasst Frau Schlinkmeier bereits an Weihnachten 1915, nicht wissend, dass noch knapp drei Jahre Krieg bevorstehen.

Weiter schreibt sie:

Lieber Heinrich! Nun etwas persönliches, weil Albrecht Weihnachten keinen Urlaub hatte wegen des Cursus (die haben nämlich diese Woche Besichtigung) so bin ich gestern nach Detmold gewesen und habe Ihn das Weihnachtspaket hingebracht, da fiel mir bei den Einräumen auch ein Brief aus Sassendorf in die Hände, den ich sonst wohl nicht zu lesen bekommen hätte, darin schrieb sie allerlei krauses Zeug von in die Front melden, und Sturmangriffen u. dergleichen. Ich denke doch, Du bist mein vernünftiger Junge, darum glaube mir, und laß während des Krieges die Frauenzimmer links liegen, mit der Sassendorferin hattest Du Dich einmal ein bischen zu weit eingelassen, Du hättest dürfen auf keinen Fall die 3 Tage auf Urlaub da verweilen, (uns war das damals gleich nicht recht) aber auf jeden Fall ist es noch eher etwas, wie mit der andern, die Dich gerne einfangen möchte, Ihr in der Front, könnt Euch gar keinen Begriff machen, was die Mädchen und Frauen alle aufstellen um bei der eingetretenen Männerknappheit ja nicht sitzen zu bleiben, daß aber sehr viele übrig bleiben müssen, ist sicher, dazu haben wir zu viel verloren, darum ruhig den Krieg erst abwarten, wenn Dich der liebe Gott gesund zurückkehren läßt, brauchst Du nur die Hand ausstrecken und Du kannst dir aussuchen, wie Du sie haben willst, soweit sind wir in Deutschland jetzt gekommen.

Nun lebe wohl! Der liebe Gott wolle Dich auch weiterhin beschützen.

Auf baldiges Wiedersehen! Herzlichste Grüße, Deine Eltern

Der zweite Teil des Briefes lässt uns zunächst schmunzeln, angesichts der Tatsache, dass eine Mutter versucht ein Wörtchen mitzureden bei der Wahl der Braut ihres Sohnes!

Aber auch diesen Zeilen ist zu entnehmen, welche verheerenden Folgen der 1. Weltkrieg für die Bevölkerung, für einzelne Familien hatte. Die Zahl der jungen Männer, die im 1. Weltkrieg ihr Leben verloren, war im Vergleich zur Gesamtzahl der Gefallenen außerordentlich hoch!

In Gesprächen mit meiner Mutter, Heidemarie Schmidt, Erhard Arning und Simone Quadfasel, die die Kirchenbücher digitalisiert hat, konnte ich weitere Informationen zur Familie Schlinkmeier in Erfahrung bringen:

Bei der Autorin des Briefes handelt es sich um Henriette Marie Wilhelmine Schlinkmeier, geb. Heuer. Sie war verheiratet mit Simon August Heinrich Schlinkmeier, Tischler, Calldorf #16.

Aus der Ehe gingen insgesamt 8 Kinder hervor.

Der Empfänger des Briefes ist der älteste Sohn Heinrich, geboren 1892, er war Weihnachten 1915 also 23 Jahre alt. Er überlebte offensichtlich den 1. Weltkrieg, denn sein Name befindet sich nicht auf der Gedenktafel des 1. Weltkrieges. Außerdem konnte ich in Erfahrung bringen, dass es sich bei ihm auch nicht um den Heinrich Schlinkmeier handelt, der namentlich auf der Gedenktafel der Gefallenen des 2. Weltkrieges genannt wird. Das Kirchenbuch nennt keine weiteren Daten, wie Hochzeits- oder Todesdatum, sodass man davon ausgehen kann, dass Heinrich Kalldorf nach dem 1. Weltkrieg verließ. Möglicherweise hat er ja die Sassendorferin geheiratet, wer weiß? Für weitere Hinweise bin ich dankbar.

Der Zweitälteste, Friedrich, geb. 1894 starb 1938 im Alter von 44 Jahren an einer Blutvergiftung.

Das dritte Kind war ein Mädchen, das noch 1896, im Jahr seiner Geburt, verstarb.

Albrecht, der auch im Brief erwähnt wird und dem die Mutter persönlich sein Weihnachtspaket nach Detmold brachte, ist das 4. der acht Kinder, geboren 1897, er fiel im 1. Weltkrieg.

Es folgten drei Mädchen, geb. 1901, 1903 und 1905. Anna Emilie Pauline, die Mittlere der drei, blieb ledig und starb 1967. Sie wohnte zeitlebens in ihrem Elternhaus in Kalldorf.

Der jüngste Sohn Rudolf, geb. 1907, fiel im 2. Weltkrieg und hinterließ seine Frau Luise und zwei Kinder, die ebenfalls in Kalldorf #16 lebten.

Ich hoffe, ich konnte durch diesen Brief und die weiteren Ausführungen das Schicksal dieser Familie Schlinkmeier, das durch zwei Weltkriege geprägt wurde, vor Ihrem inneren Auge etwas lebendig werden lassen.

Schnell wird uns klar, dass dieses Schicksal beispielhaft ist für viele weitere Familien in der damaligen Zeit.

Warum begehen wir also heute den Volkstrauertag? Totengedenken:

„Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.

Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, [wie die Brüder Albrecht und Rudolf Schlinkmeier aus Kalldorf,]

der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.

Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.

Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.

Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.

Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind.

Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten, und teilen ihren Schmerz.

Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern,
und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.“

(Quelle: Volksbund Dt. Kriegsgräberfürsorge e. V., Zum Volkstrauertag am 15. November 2020. Gedenkstunden und Gottesdienste gestalten, S. 9)

Vielen Dank!

 


                                                                                                                                                                                                                                                                                                   

                                                                                                                                Pauline Böke

Die Gedenkrede zum Volkstrauertag am 17.11.2019 .

                                                                                                                                                 

Liebe Kalldorferinnen, liebe Kalldorfer, liebe Gäste aus den umliegenden Orten,
ich möchte Sie noch einmal in meinem Namen ganz herzlich begrüßen zu der diesjährigen Gedenkfeier des Volkstrauertags.
Ein Tag, an dem wir an die Kriegstoten und Opfer der beiden Weltkriege gedenken. Ein Tag, der uns einlädt, innezuhalten. Still zu werden. Ein Tag, an dem wir uns wieder einmal fragen müssen, wie es passieren konnte, dass innerhalb von zwei Weltkriegen, 8,5 Millionen Menschen ihr Leben lassen mussten. Weltweit forderten die Machtsucht und die rassistische Ideologie des NS-Regimes 82 Millionen Menschenleben. So viele Einwohner hat Deutschland heute. Demokratie und Gleichheit aller Bürger wurde in dieser Zeit abgelehnt. Menschen wurden ihrer Würde beraubt. So etwas ist für uns kaum mehr vorstellbar. Und die Tatsache, dass die Zeitspanne zwischen dem letzten Weltkrieg und der heutigen Generation immer größer wird, macht es nicht besser, denn Vergessen wird immer einfacher.
Ich möchte euch deshalb von einer meiner Schulfahrten erzählen, die vor etwas mehr als einem Jahr stattfand. Meine Schule, das Weser-Gymnasium Vlotho veranstaltet jedes Jahr eine Fahrt nach Oświęcim. Der polnische Name einer kleinen Stadt, die wir eher unter den Namen Auschwitz kennen. Diese Fahrt ist bei uns an der Schule immer heiß begehrt. Nur eine bestimmte Anzahl an Schülern der 11. Klasse dürfen jedes Jahr mit und per Los werden diese ausgewählt. Warum die meisten von uns unbedingt auf diese Fahrt wollten, war recht simpel. Drei Tage keine Schule zu haben, war Grund genug, sich dafür anzumelden. Dass das, was wir dort sehen würden, nichts für schwache Nerven ist, war uns zwar allen irgendwie bewusst, doch das sollte dem Spaß einer Kursfahrt nicht entgegen-stehen. In Auschwitz befindet sich die wohl bekannteste Todesfabrik, die die Nazis während des zweiten Weltkrieges erschufen. Über 1,1 Millionen Menschen ließen an diesem Ort ihr Leben, entweder weil sie hingerichtet wurden oder aufgrund der menschenunwürdigen Lebensbedingungen in den Lägern. Wenn ich an diese Fahrt zurückdenke, dann erfasst mich immer wieder eine Gänsehaut, denn Krieg, Leid und Grausamkeit in einem so riesigen Maße waren mir noch nie so nahe. Wir besuchten das Stammlager von Auschwitz und das Vernichtungs-lager Auschwitz-Birkenau. Unsere Jugendherberge war von ersterem nur zwei Kilometer Fußweg entfernt. Wir gingen die Wege, die Menschen zu den Gaskammern gingen, an den Gleisen entlang, wo diese in Viehwaggons in Massen angekarrt wurden, um sie dann zu selektieren. Ein Handzeichen nach rechts für das Arbeitslager. Ein Handzeichen nach links zum Krematorium. Wir Schüler waren abends völlig sprachlos. Ob man abends noch um die Häuser ziehen wollte, danach fragte keiner mehr. Für mich stand nach den Führungen fest, nach Auschwitz, da will ich nie wieder hin! Ich wollte das alles verdrängen, nicht drüber reden, weil mir dafür einfach die Worte fehlten. Das änderte sich nach einem Treffen mit einer Zeitzeugin am letzten Tag. Sie hatte sich dazu bereit erklärt, über ihre Zeit im KZ Auschwitz zu reden und zu gut erinnere ich mich noch an ihre letzten Worte, die sich wortwörtlich in mein Gedächtnis gebrannt haben.
„Ihr seid nicht die Generation, die sich für irgendetwas schuldig fühlen muss, aber ihr seid die, die die Erinnerung an das Grauen wachhalten müssen und deswegen versprecht mir eins. Setzt euch dafür ein, dass so etwas nie, nie wieder passiert!“
Genau das ist der Grund, warum wir heute hier sind. Und es begründet die Notwendigkeit eines Volkstrauertages! Weil wir wissen, die Zeit, wo es noch Zeugen des Krieges gibt, die naht sich dem Ende. Die Erinnerungen werden immer blasser. Jedoch ändert sich damit nicht unsere Geschichte. Wir dürfen heutzutage stolz darauf sein, in einem demokratischen Staat zu leben. Frieden und Freiheit zu kennen mit dem Hintergedanken, dass dies nicht selbstverständlich ist. 2018 gab es 28 Kriege und bewaffnete Konflikte auf der Welt, die zwar nicht vor unserer Haustür stattfanden, von denen wir jedoch fast täglich in den Nachrichten hören konnten. Damals wie heute sterben Menschen sinnlos als Soldaten an der Front oder Zivilisten werden Opfer von Anschlägen. Krieg. Krieg bleibt immer gleich.
John F. Kennedy sagte einmal: „Die Menschheit muss den Krieg beenden, bevor der Krieg die Menschheit beendet.“ Damit hat er absolut Recht gehabt. Genauso wie man alleine nicht in den Krieg ziehen kann, kann man auch alleine nicht Frieden aufbauen und erst recht nicht erhalten. Warum gibt es denn so viele Denkmäler, die an den Krieg erinnern, aber kaum welche des Friedens?
Der Volkstrauertag gewährt uns nicht nur einen Blick zurück in die Vergangen-heit, sondern auch in die Zukunft. Es gilt, den Zustand des Friedens zu bewahren. Noch immer gibt es Menschen und sogar Parteien, die rechts denken. Und deswegen müssen wir wachsam sein. Wir leben heute in einem vereinten Europa, dessen Nationen eine gemeinsame Geschichte verbindet und besonders wir können aus unserer Vergangenheit lernen, um die Zukunft unseres Landes immer weiter zu verbessern. Solche Fahrten wie die nach Auschwitz sollten jedem zustehen. Denn es ist ein Ort, der alles auf den Punkt bringt. Ein Ort, der zeigt, was passiert, wenn wir Unterschiede in dem Wert eines Menschen machen und wenn eine Nation ihre Hoffnung auf eine Regierung stützt, die die Wörter Demo-kratie und Gewaltenteilung nicht buchstabieren kann.
Heute ist ein Tag des Gedenkens und des Trauerns. Das sollten wir nicht nur einmal im Jahr tun, sondern beständig. Aber damit ist es noch nicht getan. Wir müssen das Erinnern zu einer Handlung machen. Die Handlung zu einer Gewohnheit, damit so etwas nie wieder passiert. Denn Frieden schätzt man meist erst richtig, wenn er nicht mehr da ist. Lasst es uns nicht dazu kommen.
Damit möchte ich nun die Totenehrung sprechen:
„Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.                                                                                                                    
Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.                                                                                                   
Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.                                                                                               
Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.                                                                  
Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.                        
Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind.                                                                                       
Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten, und teilen ihren Schmerz.          
Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.“                                                                       
Ich verabschiede mich mit nun mit folgenden hoffnungsvollen Worten von Mahatma Gandhi, der Mann, der sich das Wort Frieden aufs Herz geschrieben hatte:                                                                                                                                                 
„Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg.“ Danke für Ihre Aufmerksamkeit und ich bitte nun die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr den Kranz der Vereinsgemeinschaft Kalldorf an unseren Gedenktafeln niederzulegen.

 


 

                                                                                                                                                                                                Dennis Glißmann

Die Gedenkrede zum Volkstrauertag am 18.11.2018 .

 

Ron Jones stand ratlos da. Es war April 1967 und der Lehrer gab Geschichtsunterricht an der „Cubberley High School“ im kalifornischen Palo Alto; Thema „Drittes Reich“. Ein Schüler hatte ihm eine Frage gestellt und er wusste einfach keine Antwort: „Wie konnte es zu einem Krieg mit so viel Gewalt und so vielen Opfern kommen? Wie konnten die Leute damals die massenhafte Hinrichtung von Menschen zulassen? Wie konnten Dorfbewohner, Bahnangestellte, Lehrer, Ärzte gar behaupten, sie hätten nichts von dem Grauen in den Konzentrationslagern gewusst?“

Ron Jones versuchte seiner Schulklasse das Gefühl der deutschen Bürger im NS-Regime in einem außergewöhnlichen Experiment am eigenen Körper spüren zu lassen. Er wollte seine Schüler Faschismus erleben lassen, hautnah: den Horror, aber auch die gefährliche Faszination. Er kommandierte militärisch, er kontrollierte und führte gegenseitige Selbstkontrollen ein, er schikanierte und förderte Rebellentum. Aber er schaffte auch ein starkes Gemeinschaftsgefühl, einen eigenen Stolz der Klasse, führte einen eigenen Gruß ein und schottete sich gegen anders Denkende ab. Immer mehr Sympathisanten schlossen sich der Klasse an und folgten Jones‘ strengem aber elitärem Regiment. Sie verteidigten ihre Ideale im Schulalltag zum Teil auch mit Gewalt. An diesem Punkt war es für Ron Jones Zeit das Experiment zu beendeten und er zeigte seinen Schülern einen Film über das Dritte Reich: die große Bewegung auf Reichsparteitagen, Gemeinschaft, Disziplin, Gehorsam – und dann die großen Taten für die Gemeinschaft: Terror, Gewalt, Gaskammern. Ron Jones sah in die fassungslosen Gesichter.

Der Kreis schloss sich, die Frage war beantwortet. Den Schülern wurde bewusst dass sie manipuliert und so zum Teil einer fragwürdigen Agenda wurden. Dieses Experiment wurde übrigens weltweit bekannt als „The third wave“ und in Deutschland verfilmt unter dem Titel „Die Welle“.[1]

Ich selbst bin 37 Jahre alt, also noch eine Generation jünger als die Schüler von Ron Jones. Auch ich stehe genauso ratlos vor den gleichen und noch mehr Fragen wie jene kalifornische Schüler 1967. Wir müssen hier kein Experiment durchführen, um uns in die Zeiten von damals zu versetzen. Aber jeder von uns sollte sein Bewusstsein dafür schärfen, was in der Geschichte unseres Landes geschehen ist und alles dafür tun, dass sich dies nicht wiederholt.

In Deutschlands Geschichte spielten Kriege, Gewalt und Tod leider immer wieder eine Rolle. Selbst wenn wir lediglich das vergangene Jahrhundert betrachten, blicken wir zurück auf ein trauriges Bild. In zwei Weltkriegen ließen mehr als 8,5 Millionen Deutsche ihr Leben. Weltweit waren über 82 Millionen Opfer zu beklagen. Deutschland erlebte zwischen 1914 und 1918 sowie zwischen 1939 und 1945 grausame Jahre sinnlosen Tötens auf Basis von Machtphantasien einzelner Herrscher oder Herrschergruppen. In Deutschland liegen diese Zeiten nun, Gott sei Dank, mittlerweile mehr als 70 Jahre zurück. Schauen wir aber über unsere Grenzen hinaus, gibt es auch in der jüngeren Vergangenheit eine Vielzahl grausamer und unnötiger kriegerischer Auseinandersetzungen, wie den Jugoslawienkrieg in den 90er Jahren oder die Golfkriege in den 80er, 90er und 2000er Jahren. Auch diese Kriege forderten hunderttausende zivile und militärische Opfer und wieder sind es Machtansprüche einzelner, die ganze Völker in Tod und Trauer stürzten. So ist es häufig, dass Macht Menschen antreibt andere für sich zu manipulieren, in Gefahr zu bringen oder vorsätzlich zu opfern. Ohnmacht ist was in aller Regel nach Beendigung der kriegerischen Handlungen bei den Überlebenden bleibt.

Die letzten Kriegshandlungen auf deutschem Boden wurden am 8. Mai 1945 mit dem Ende des zweiten Weltkrieges beendet. Je weiter dieser Zeitpunkt in die Vergangenheit rutscht, umso wichtiger wird es, das Vergessen aktiv zu verhindern und das Innehalten, das Gedenken an Verstorbene und die Demut vor dem derzeitigen Frieden in unserem Land auch in jüngeren Generationen aufrecht zu erhalten. Wir schreiben das Jahr 2018 und die Generation meiner Großeltern verlässt nach und nach die Bühne des Lebens. Mit ihr ist „Krieg in Deutschland“ nicht weiter erlebte Realität, die von Zeit- und Augenzeugen mit allen dazugehörigen Emotionen weitergegeben wird, sondern nur noch ein nüchterner Eintrag in Geschichtsbüchern. Umso wichtiger ist es für uns, sich immer wieder bewusst auch mit dem Vergangenen zu beschäftigen, so wie wir es am heutigen Volkstrauertag gemeinsam tun. Aber wir dürfen auch den Blick für das jetzt und hier, sowie für die Gestaltung unserer eigenen Zukunft nicht verlieren. Wir leben in einem vereinten Europa mit zahlreichen, teils sehr unterschiedlichen Nationen in friedlicher Gemeinschaft. Deutschland ist ein offenes, soziales und vielfältiges Land, dass es Menschen unterschiedlicher Kulturen, Herkunftsländer und Religionen ermöglicht in Frieden, Freiheit und Demokratie zusammenzuleben. Dies ist nicht selbstverständlich. Daher gilt es diesen fragilen Zustand besonders sorgsam zu wahren. Auch in unserer Zeit leiden ganze Länder unter Despoten, kriminellen Splittergruppen und Terroristen, die sich für die Durchsetzung ihrer eigenen Machtansprüche über diese Werte und zum Teil sogar über Menschenrechte hinwegsetzen. Auch in Deutschland gibt es Gruppen und Bewegungen deren einzige Ziele eine Spaltung der Gesellschaft und die Destabilisierung des von unseren Vorfahren so lang ersehnten heutigen Friedenszustandes sind. Durch das heutige gemeinsame Gedenken und Trauern schauen wir also nicht nur zurück. Wir haben die Aufgabe aus der Vergangenheit Lehren zu ziehen, die Erfahrungen positiv für unsere eigene Zukunft einzusetzen und den populistischen und manipulativen Mächten der Gegenwart entgegen zu treten und ihnen den Nährboden zu nehmen.

Lasst uns nun gemeinsam den Toten gedenken. Wie vom ehemaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss im Jahre 1952 eingeführt, möchte auch ich dies heute zum Volkstrauertag 2018 mit traditionellen, aber immer noch aktuellen Worten tun.

„Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.

Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.

Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.

Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.

Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.

Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind.

Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten, und teilen ihren Schmerz.

Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.“[2]

Abschließend möchte ich Euch mit folgenden kurzen, sehr hoffnungsvollen Gedanken des US-amerikanischen Gitarristen, Komponisten und Sängers Jimi Hendrix nach Hause verabschieden:

Wenn die Macht der Liebe über die Liebe zur Macht siegt, wird die Welt Frieden finden.“

Lasst uns mit unserem Gedenken und Handeln ein Stück dazu beitragen. Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit, wünsche Euch noch einen schönen Sonntag und übergebe das Wort wieder an Wilfried Gerkensmeier, den Vorsitzenden der Kalldorefer Vereinsgemeinschaft.

[1] Vgl. Ron Jones – „The third wave“ aus der collection of short stories „No Substitute for Madness“

[2] Quelle: www.bundespraesident.de

 


 

 

 

Ramona Gerkensmeier

Die Gedenkrede zum Volkstrauertag am 19.11.2017 .

 

Liebe Kalldorferinnen und Kalldorfer und liebe Gäste aus den umliegenden Orten,
der Volkstrauertag als der Gedenktag für die Opfer von Krieg und Gewalt ruft uns dazu auf, nicht zu vergessen, welch schreckliche
Geschehnisse es in der Vergangenheit gab, und auch noch heutzutage an vielen Orten der Welt gibt.
Zugleich geht vom Volkstrauertag aber auch der Appell aus, eine positivere Zukunft aktiv mitzugestalten, in dem wir alle zu
Versöhnung, Verständigung, Toleranz und Frieden beitragen.
Frieden, das klingt schön – aber es ist auch ein großes Wort. Oft müssen es aber gar nicht große Taten sein, die uns ein Stück
näher zu einem friedlichen Leben bringen.

Ich möchte euch dazu eine kurze Geschichte der Kinderbuch-Autorin Elke Bräunling vorlesen, die das verdeutlicht. Sie heißt:
Der alte Apfelbaum und der Friede
.
Anna liebt den alten Apfelbaum hinten im Garten. Die Nachbarn hingegen haben vieles gegen den Baum dort an der Gartengrenze
einzusetzen und nun will Papa den alten Apfelbaum fällen. Damit ist Anna gar nicht einverstanden.
„Ich glaube“, sagt Papa eines Tages, „wir müssen den alten Apfelbaum fällen.“
„Unseren Apfelbaum?“, ruft Anna entsetzt. „Er stört doch nicht hinten im Garten!“
Papa lacht bitter auf. „Die Nachbarn schon. Immer wieder beschweren sie sich.“
Anna kann es nicht glauben. „Er ist doch so ein schöner, großer Baum!“
„Eben“, meint Papa. „Seine Zweige stören. Wegen des Schattens und des Herbstlaubs.“
„Und deshalb soll unser Baum sterben? Weil die da drüben zu faul zum Kehren sind?“ Anna ist sauer.
„Na ja“, meint Mama. „Es ist ärgerlich, wenn ein Baum der Sonne den Weg versperrt und dazu noch Arbeit macht, nicht?“
Und Papa sagt entschieden: „Ich will meinen Frieden mit den Nachbarn haben. Der Baum kommt weg. Basta!“
Anna kämpft mit den Tränen. Was hat ein Baum mit Friede zu tun?
Außerdem ist die Apfelbaumecke ihr liebster Platz zum Spielen und Träumen, zum Nachdenken und zum ´In-die-Luft-gucken´.
Dieses Plätzchen soll sie nun verlieren? Und was würde aus den Tieren werden, die im Baum wohnen? Müssen die auch sterben?
Und das Amselpärchen? Wo würde es im nächsten Jahr sein Nest bauen? „Was ist Friede?“, fragt Anna. „So viele Bäume sterben. Ich mag nicht, dass bloß wegen der Nachbarn auch unser Apfelbaum sterben muss.
Das ist ein falscher Friede!“
„Friede hat eben einen hohen Preis“, sagt Papa.
Darüber denkt Anna lange nach. Dann hat sie eine Idee: „Wäre es auch ein Friede, wenn ich das Herbstlaub im Nachbargarten wegkehre?
Dann müsste unser Baum nicht sterben und der Friede wäre nicht so teuer.“
„Das ist eine gute Idee“, freut sich Mama. „Wir sollten mit den Nachbarn noch einmal reden!“
„Hm.“ Papa zuckt mit den Schultern. „Und der Schatten?“
„Da findet sich bestimmt auch eine Lösung“, meint Mama. „Und die überlegen wir uns gemeinsam mit den Nachbarn. Einverstanden?“
„Einverstanden.“ Papa nickt und Anna klatscht vor Freude in die Hände.
„So mag ich den Frieden leiden“, sagt sie. Dann gehen Mama, Papa und Anna mit ihrem Friedensangebot zu den Nachbarn hinüber.

Ich bin sicher, dass wir uns von Anna etwas abgucken können: mit ein bisschen Verständigung und der Berücksichtigung der Interessen
aller können wir auf Ansätze kommen, bei denen alle gewinnen – mit ein wenig Einsatz und ganz ohne Streit. Es ist vielleicht nicht
immer der einfachste und nahe liegendste Weg, aber bestimmt der nachhaltigste.
In diesem Sinne möchte ich euch dazu einladen, die Gedanken zu Versöhnung, Verständigung, Toleranz und Frieden mit in euren Alltag
zu nehmen und in euren Herzen zu bewegen.

Abschließend möchte ich nun die Totenehrung sprechen:
Wir gedenken heute der Opfer von Krieg und Gewalt: der Soldaten, die in beiden Weltkriegen gefallen, ihren Verwundungen erlegen,
in Gefangenschaft gestorben oder seither vermisst sind; der Männer, Frauen und Kinder aller Völker, die durch Kriegshandlungen ihr
Leben lassen mussten. Wir gedenken derer, die im Widerstand, die um ihrer Überzeugung oder ihres Glaubens willen Opfer der
Gewaltherrschaft wurden, und derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse
zugerechnet wurden oder derer Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde. Wir gedenken der
Männer, Frauen und Kinder, die in der Folge des Krieges auf der Flucht oder bei der Vertreibung aus der Heimat und im Zuge der
Teilung Deutschlands und Europas ihr Leben verloren. Wir gedenken der Bundeswehrsoldaten, die in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben ließen. Wir trauern um die Opfer der Kriege und
Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Opfer sinnloser Gewalt, die bei uns
Schutz suchten. Wir trauern mit den Müttern und mit allen, die Leid tragen, um die Toten. Ich darf nun die Ehrenabordnung der freiwilligen Feuerwehr Kalldorf bitten, einen Kranz im Namen aller Vereine niederzulegen,
die der Vereinsgemeinschaft angehören.

Vielen Dank.


 

 

Dominik Bentler

 

Die Gedenkrede zum Volkstrauertag am 13.11.2016 .

 

„Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut soll immer wieder mit Blut abgewaschen werden.“
Dieser Satz stammt von der ersten Friedennobelpreisträgerin; von der Frau, die Alfred Nobel dazu motivierte überhaupt den Friedensnobelpreis zu verleihen. Und auch wenn Bertha von Suttner diesen Satz bereits vor über 120 Jahren verfasste, so aktuell ist die Thematik leider noch immer.
Dieser eine Satz genügt vollkommen, um die Absurdität, ja geradezu den Wahnsinn von Kriegen und Gewalttaten zu verdeutlichen. Jedes Menschenleben das für Kriege geopfert wurde, ist ein sinnlos vergebenes Menschenleben. Nun sind die meisten Anwesenden der heutigen Gedenkfeier in der glücklichen Situation keine Kriege in Deutschland unmittelbar miterlebt haben zu müssen. Nur die Wenigsten unter Ihnen, werden durch eigene Erfahrung die Grausamkeit von Kriegen nachvollziehen können. Aber diejenigen unter Ihnen, die Kriege erleben mussten, werden die Sinnlosigkeit von Kriegen, wie von Bertha von Suttner beschrieben, bestätigen. Und alle anderen von Ihnen werden Bertha von Suttner höchstwahrscheinlich auch zustimmen. Sicherlich ist der heutige Volkstrauertag ein Tag, der an die Kriegstoten der beiden Weltkriege erinnern soll, im Besonderen an die Menschen, die auf diesen Tafeln hier aufgeführt sind. Der Volkstrauertag soll auf die Kriegstoten und Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen hinweisen. Deswegen sollen wir an diesem Tag auch auf die Gewalttaten aufmerksam gemacht werden, die nicht vor Ort in Deutschland oder Europa, sondern auf der ganzen Welt passieren. In der Vergangenheit sowie aber auch in der heutigen Zeit. Nun war die eben zitierte Bertha von Suttner eine Frau, die ihr Leben nahezu komplett dazu verschrieben hat, eine Friedensordnung zu forcieren, die stetig auf Gefahren der Aufrüstung hingewiesen hat und bis zur ihrem Tod vor dem sich anbahnendem 1. Weltkrieg gewarnt hat. Aus diesem Grund gibt es auch noch viele weitere Aussagen, die Bertha von Suttner während ihres Lebens getätigt hat und die zum Nachdenken anregen, wie zum Beispiel: „Wer die Opfer nicht schreien hören, nicht zucken sehen kann, dem es aber, sobald er außer Seh- und Hörweite ist, gleichgültig ist, dass es schreit und zuckt – der hat wohl Nerven, aber – Herz hat er nicht.“ Wer also Kriege auf dieser Welt ignoriert, der mag möglicherweise einen kühlen Charakter haben, ein kaltes Gemüt haben, allerdings hat er dann auch einen Mangel an Mitgefühl und das Fehlen von Empathie. Mittlerweile sollte es aber auch diesen Personen schwer fallen diese Kriege zu missachten. Denn jeder Mensch, der seine Heimat aus Angst um sein Leben, um das Leben seiner Familienangehörigen verlassen muss und nach Deutschland flüchtet, ist ein Opfer von Kriegen und Gewalttaten. Ich denke, dass wir dieser Verpflichtung, die in Deutschland angekommenen Menschen, in die Gesellschaft aufzunehmen, nicht nur mit unseren Nerven angehen sollten, sondern auch mit einer ausdrücklichen Portion Herz. (Pause) So wie ich die Menschen in Kalldorf kennengelernt habe, mit einer sehr aktiven Vereinskultur, mit den vielen Festen, die gefeiert werden und mit all den engagierten Menschen, die diese Dorfkultur aufrechterhalten, hoffe ich, dass Kalldorf geflüchtete Menschen nicht nur an dieser Kultur teilhaben lässt, sondern diese Menschen auch aktiv darin einbezieht. Auf diese Weise kann den Opfern von Kriegen nicht nur gedacht werden, sondern diese Menschen erhalten eine Chance auf ein Leben in Frieden.
Abschließend möchte nun die Totenehrung sprechen:

Wir gedenken heute der Opfer von Krieg und Gewalt: Der Soldaten, die in beiden Weltkriegen gefallen, ihren Verwundungen erlegen in Gefangenschaft gestorben oder seither vermisst sind, der Männer, Frauen und Kinder aller Völker, die durch Kriegshandlungen ihr Leben lassen mussten Wie gedenken derer, die im Widerstand, die um ihrer Überzeugung oder ihres Glaubens willen Opfer der Gewaltherrschaft wurden, und derer die verfolgt und getötet wurden, weil Sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden oder derer Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde. Wir gedenken der Männer, Frauen und Kinder, die in der Folge des Krieges auf der Flucht oder bei der Vertreibung aus der Heimat und im Zuge der Teilung Deutschlands und Europas ihr Leben verloren.

Wir gedenken der Bundeswehrsoldaten, die in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben ließen. Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage Um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung Um die Opfer sinnloser Gewalt, die bei uns Schutz suchten. Wir trauern mit den Müttern und mit allen, die Leid tragen, um die Toten.

Ich darf nun die Ehrenabordnung der freiwilligen Feuerwehr Kalldorf bitten, einen Kranz im Namen aller Vereine niederzulegen, die der Vereinsgemeinschaft angehören.


 

Julia Bähr

 

Die Gedenkrede zum Volkstrauertag am 15.11.2015 .

 

Zunächst möchte ich Sie und euch (noch einmal) herzlich zu dieser Gedenkfeier anlässlich des Volkstrauertages begrüßen.
Als mich mein Onkel – Johannes Bentler – vor einiger Zeit fragte, ob ich diese Rede halten würde, dachte ich, dass ja nichts dagegen spricht. Ich muss allerdings zugeben, dass für mich der Volkstrauertag bisher ähnlich, wie die meisten anderen Sonntage verlief. Das Ereignis des Volkstrauertages wurde eher am Rande wahrgenommen und bei dieser Gedenkfeier war ich – wenn ich mich recht erinner – auch noch kein oder vielleicht ein Mal gewesen. In der Zwischenzeit konnte ich mit einigen anderen Menschen in meinem Alter sprechen und stellte fest, dass für viele der Volkstrauertag keine persönliche Bedeutung hat und demnach die wenigsten sich näher damit beschäftigen. Vielleicht liegt es daran, dass wir, wenn wir die Wahl zwischen freudigen und traurigen Anlässen und Festen hätten, doch eher die freudigen vorziehen würden. Oder viele denken, dass es ein Tag für diejenigen ist, die mit den damaligen Ereignissen noch konkreter etwas anfangen können und selber Menschen verloren haben. Ich selbst darf heute hier aus einer Generation stehen, die selbst die Zeit des Kalten Krieges, der bis 1989 andauerte, nicht mehr miterlebt hat. (Dies ist ein Geschenk/Gnade, welches man vermutlich erst schätzen zu lernen weiß, wenn es einmal anders ist. Doch hoffen und beten wir, dass es nicht noch einmal anders kommen wird.) Richard von Weizsäcker sagte einmal sehr treffend: Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Heutzutage kennen viele Menschen, und es werden einfach immer mehr Menschen, die beiden Weltkriege lediglich aus dem Schulunterricht und Erzählungen. Ich selber kenne diese Geschichte u.a. von einem Besuch der Konzentrationslagern Ausschwitz, anderen Mahnmälern und von den wenigen Erzählungen meiner Großeltern. An ihrem Lebensweg kann ich erkennen, was Krieg und damit auch der Verlust der Heimat bedeutet.
Obwohl ich die Kriege nicht persönlich erlebt habe, stelle ich bei genauerem Hinsehen fest – und ich vermute, dass es den meisten Menschen heute so ergehen wird -, dass meine Geschichte ohne unsere Vergangenheit nicht so existieren würde, wie sie es heute tut. Auch Geschehnisse in der Welt zeugen insbesondere von dem zweiten Weltkrieg, wenn wir uns heute die Teilung Koreas anschauen oder nach Israel sehen. Unsere Welt heute ist nur durch unsere Geschichte denkbar. Und obwohl das Ende des zweiten Weltkrieges erst 70 Jahre her ist, stehen wir – oder die kommenden Generationen – in der Gefahr, die Augen zu verschließen, zu vergessen und somit auch blind für die Gegenwart zu werden.
Der Volkstrauertag dient dazu, dem Vergessen entgegen zu wirken. Es ist ein Tag von großer Bedeutung. Ein Tag des Erinnerns, des Gedenkens – nicht nur ein Trauertag. Wir sind heute hier zusammen gekommen um den über 120 Millionen Menschen zu gedenken, die in dem ersten und zweiten Weltkrieg ihr Leben und ihre Gesundheit gelassen haben. 120 Millionen Schicksale, 120 Millionen – und jeder Einzelne ist einer zu viel.
Die beiden Weltkriege brachten Elend über die Menschen, Elend für die Familien, Krankheiten, Hunger und Zerstörung in einem unvorstellbaren Ausmaß. Damit keine Wiederholung dessen stattfindet, ist es wichtig unsere Geschichte, die Ursachen und Auswirkungen der Kriege (und das Elend) zu kennen/verstehen. Doch sollten wir nicht an diesem Tag mit unseren Erinnerungen und der Trauer stehen bleiben, sondern – und das ist der wohl wichtigste Punkt – wir sollten daraus lernen. Wir sehen die Vergangenheit und lernen unsere Gegenwart und Zukunft zu bestreiten, ohne Fehler unserer Geschichte zu wiederholen. Wenn wir heute in die Welt schauen, sehen wir Kriege. Sie begleiten uns täglich in den Medien und auch in Deutschland gibt es Streit in Familien, Nachbarschaften und Gewalttaten. Täglich sehen wir Leid, Tod und Trauer, die Not der Menschen. Der wahre Frieden ist noch nicht da.
Aber wie die Lage um uns her auch aussieht, wir können und müssen uns entscheiden, welchen Weg wir gehen. Wir können die Nachrichten annehmen, resignieren oder uns in Gesprächen über die aktuelle Lage aufregen. Vielleicht gibt es einige Vorurteile gegenüber dem Unbekannten und eine Furcht, vor dem was kommen mag. Lassen wir diesen Blick auf die Geschehnisse siegen und möglicherweise sogar in Hass umschlagen? Oder lernen wir aus unserer Vergangenheit und entscheiden uns heute dafür, dazu beizutragen, dass sich die Geschichte nicht wiederholen wird. Machen wir unsere Augen und unsere Herzen auf. Begegnen wir dem scheinbar bedrohlichen, lernen es kennen und geben dem Fremden eine Chance uns ihre Welt zu zeigen.
Wir tragen heute die Verantwortung und werden mit unserer Entscheidung die Zukunft prägen. Entscheiden wir uns heute für die Menschlichkeit, für den Frieden und werden Stützen für den Frieden in unserem Land. Erinnern wir uns heute unserer Geschichte und gedenken wir den Menschen, die Opfer der beiden großen Kriege geworden sind. Lernen wir aus unserer Geschichte, damit wir mit offenen Augen und verantwortungsbewusst in die Zukunft gehen können. Pflichttext: Und in diesem Sinne möchte ich nun die Totenehrung sprechen:
Wir gedenken heute der Opfer von Krieg und Gewalt:
Der Soldaten, die in beiden Weltkriegen gefallen, ihren Verwundungen erlegen in Gefangenschaft gestorben oder seither vermisst sind, der Männer, Frauen und Kinder aller Völker, die durch Kriegshandlungen ihr Leben lassen mussten Wie gedenken derer, die im Widerstand, die um ihrer Überzeugung oder ihres Glaubens willen Opfer der Gewaltherrschaft wurden, und derer die verfolgt und getötet wurden, weil Sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden oder derer Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde. Wir gedenken der Männer, Frauen und Kinder, die in der Folge des Krieges auf der Flucht oder bei der Vertreibung aus der Heimat und im Zuge der Teilung Deutschlands und Europas ihr Leben verloren.

Wir gedenken der Bundeswehrsoldaten, die in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben ließen. Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage Um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung Um die Opfer sinnloser Gewalt, die bei uns Schutz suchten. Wir trauern mit den Müttern und mit allen, die Leid tragen, um die Toten.

Ich darf nun die Ehrenabordnung der freiwilligen Feuerwehr Kalldorf bitten, eine Kranz im Namen aller Vereine niederzulegen, die der Vereinsgemeinschaft angehören.
Enden möchte ich mit einem Zitat von dem Amerikaner Kin Hubbard:
Der Frieden hat ebenso viele Siege aufzuweisen wie der Krieg, aber weit weniger Denkmäler. Lassen Sie uns zu einem lebendigen Denkmal des Friedens werden.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und euch einen schönen Sonntag.

Vielen Dank


 Organisation und Leitung:

Johannes Bentler

Wilfried Gerkensmeier

Kommentare sind geschlossen.